Die Stromschnellen von Imatraziehen jeden Sommer eine große Schar Besucher an, die sich von den gewaltigen Wassermassen und Musik von Sibelius verzaubern lassen.
Imatrankoski, der Wasserfall in Imatra, zählt zu den ältesten Sehenswürdigkeiten Finnlands, zu der es bereits Katharina die Große im Jahr 1772 hinzog. Im Südosten des Landes gelegen und nicht weit von Russlands Grenze entfernt, wurde Imatra zu Anfang der 1900er Jahre ein äußerst beliebtes Reiseziel der St.Petersburger Oberschicht. Die 1892 erbaute Bahnstrecke und das neue Luxushotel „Valtionhotelli“ trugen maßgeblich zu diesem Aufschwung bei.
Mitten durch die Stadt floss damals der Fluss Vuoksi mit donnerndem Getöse durch eine enge Granitschlucht. Obwohl das Gefälle auf einer Länge von einem Kilometer nur 19 Meter betrug, erzeugte der Fluss gewaltige Strudel. Somit war der Imatrafall eigentlich kein Wasserfall im herkömmlichen Sinn, sondern eher eine tosende Stromschnelle.
Mit dem Bau und der Einweihung eines Wasserkraftwerks im Jahr 1925 verlor Imatra seine Attraktivität. Das an einem Stausee gelegene Wasserkraftwerk ist heute eines der größten in Finnland und versorgt das südliche Finnland einschließlich der Großstädte Helsinki und Turku mit Energie. Die Wassermassen des Vuoksis sind versiegt und es ist nur noch ein karges ausgetrocknetes Flussbett zu sehen. Doch die Finnen haben Imatra ihre Attraktion zurück gegeben: Zumindest im Sommer zwischen Mitte Juni und Ende August kommen Touristen voll auf ihre Kosten. Dann nämlich ertönt an jedem Tag für 20 Minuten aus blechern klingenden Lautsprechern ganz passend Sibelius’ Stück „Es kocht der Strom“ . Die Schleusen öffnen sich und für kurze Zeit ergießen sich mit lautem Getöse die Wassermassen von der Staumauer in das ausgetrocknete Flussbett.
Hunderte von Zuschauern säumen jedes Mal die Ufer und vor allem die Bogenbrücke, um sich dieses Spektakel nicht entgehen zu lassen. Und besonders Wagemutige lassen sich an einem Stahlseil über das tobende Wasser gleiten. Die umherfliegenden Wassertröpfchen erreichen die Zuschauer und legen sich wie ein kühler Mantel über sie. Für die Kraftwerkbetreiber sind diese 20 Minuten leicht verdientes Geld, muss die Stadt doch jedes Mal 3000 Euro für die Schleusenöffnung hinblättern!
20 Minuten später ist alles vorbei. Die Musik verstummt, die Wassermassen verlieren ihre Kraft, werden weniger, bis sich nur noch ein kleines Rinnsal seinen Weg durch das karge Flussbett des Vuoksi sucht. Die Besucher haben genug gesehen und gehen ihrer Wege. Alles ist wieder ruhig bis sich am nächsten Tag erneut die Schleusen öffnen.