Finnischer Doppelsieg am Norisring
Von Mari Koskela & Harry Skoutajan (aus Deutsch-Finnische Rundschau Nr. 170)
Norisring, Ende Juni 2016. Nach einer Interview-Anfrage bei Audi Motorsport sind wir am späten Samstagvormittag mit Joonas Lappalainen (18) und Emil Lindholm (20) in der Audi-Hospitality am Dutzendteich in Nürnberg verabredet. Beide kommen aus Finnland. Beide bestreiten 2016 ihre zweite Saison im Audi Sport TT Cup. „Wir fahren hier alle mit identischem Material, das uns zentral von Audi zur Verfügung gestellt wird“, erklärt uns Emil. Es gibt keine einzelnen Teams. „Wir sind ein einziges großes Team“, fährt er fort. Die Audi TT Coupés, die aus der Serienproduktion in Neckarsulm kommen, sind nach einigen Modifikationen tauglich für den Renneinsatz. Anders als die Serienfahrzeuge verfügen sie über Frontantrieb (Serie: Allrad), einen Überrollkäfig aus Stahlrohren, natürlich einen anderen Fahrersitz. Alle anderen Elemente der Innenausstattung wurden entfernt. Hinzu kommen ein Frontsplitter und ein Heckflügel, um auf beiden Achsen mehr Anpressdruck zu generieren. Junge Talente können sich für diese Rennserie bewerben. Der große Vorteil speziell hier: die Fahrer müssen die Autos nicht kaufen und selbst für Ersatzteile, Personal und den Transport sorgen.Dennoch ist Unterstützung im Hintergrund überlebenswichtig. Joonas baut auf ein Netzwerk von Freunden und Verwandten, die ihm bei der ganzen Organisationsarbeit und der Suche nach Sponsoren helfen. Emil hat seinen Vater als Manager, der früher selbst Rallyes gefahren ist und deshalb weiß, worauf es ankommt.
Joonas bereitet sich auf sein Abitur vor und Emil möchte demnächst ein Ingenieurstudium beginnen. Der Audi Sport TT Cup fordert allerdings auch vollen Einsatz neben der Ausbildung. An den Rennwochenenden während der Saison reisen sie immer donnerstags an und fliegen sonntags wieder zurück. Auf dem Programm stehen intensives Coaching mit ehemaligen und aktiven Profi-Rennfahrern aus dem Audi-Motorsport-Kader, die Daten der jeweils vorangegangenen Rennen werden analysiert und die kommenden Rennen durch Simulatortraining vorbereitet. Audi kann hier aus einem enormen Erfahrungsschatz schöpfen: neben der DTM ist man in diversen anderen Tourenwagenserien präsent und in der Langstrecken-WM kämpft man mit High-Tech Hybrid-Prototypen auf allerhöchstem Niveau gegen Porsche und Toyota. Ein Engagement als Audi-Werksfahrer ist daher für viele der jungen Nachwuchsfahrer durchaus eine erstrebenswerte Perspektive.
Gibt es ein spezielles „Rennfahrer-Gen“ bei Menschen aus Nordeuropa? Auch im Audi Sport TT Cup ist auffällig, dass überdurchschnittlich viele Fahrer aus Nordeuropa kommen. Unter den 16 Fahrern sind neben den beiden Finnen auch zwei Dänen und ein Schwede dabei.
„Das kann man sicher nicht so einfach sagen. Vielleicht liegt es daran, dass man besonders in Finnland etwas isoliert ist und deshalb weiter fahren muss, um irgendwo hin zu kommen“ ist ein Erklärungsversuch von Joonas. „Da man sich durch Leistung oder eben mit einer Prüfungsfahrt für diesen Cup bewerben muss, muss man annehmen, dass die Nordeuropäer einfach gut Auto fahren können“, rechtfertigt Emil die hohe Zahl von Fahrern aus Nordeuropa im TT Cup.
Wir wollen wissen, welche Ziele sie sich gesetzt haben. „Es wäre schön, eines Tages mit dem Motorsport den Lebensunterhalt bestreiten zu können“, sagt Joonas. Auf eine bestimmte Rennserie, z.B. die Formel 1 als Ziel will sich keiner von beiden festlegen. „Es gibt so viele interessante Rennserien, egal ob Tourenwagen, Formelsport oder Langstrecke. Auch in den USA bieten sich viele Möglichkeiten“ ergänzt Emil. Wir sind neugierig und wollen ihnen entlocken, ob es für 2017 schon Pläne in einer weiterführenden Serie gibt. Da geben sich beide ganz professionell-zugeknöpft. Ja, es gebe hin und wieder Gespräche und Überlegungen, aber man müsse sich auf das laufende Jahr konzentrieren.
Das läuft für beide sehr vielversprechend. In der Saison 2015 setzten sie mit den Plätzen vier (Joonas) und sechs (Emil) im Gesamtklassement bereits deutliche Ausrufezeichen. In den ersten vier Rennen des Jahres 2016 stand Joonas schon mehrfach auf dem Podium und reiste als dritter der Gesamtwertung nach Nürnberg. Das besondere hier: der Norisring ist das einzige Rennen im DTM- und Audi Sport TT Cup-Kalender, das auf eigens dafür abgesperrten öffentlichen Straßen gefahren wird. Der nur 2,3 km lange Rundkurs am Rande der Nürnberger Innenstadt hat es in sich: 63% Vollgasanteil, eine fast 900 m lange, leicht gebogene Gerade und nur vier, aber sehr enge Kurven. „Ja, das ist schon etwas sehr besonderes hier“, findet Joonas und Emil und erklärt uns: „Die Strecke verändert sich im Tagesablauf enorm. Es macht einen großen Unterschied, ob man morgens fährt wie heute im Qualifying oder am Nachmittag, wenn die Rennen stattfinden. Dazu kommen die vielen Bodenwellen.“ Außerdem verzeiht der Norisring keine Fehler: die Leitplanken und Begrenzungsmauern sorgen schnell für gebrochene Radaufhängungen. Die Möglichkeiten für die Fahrer, die Fahrzeuge individuell abzustimmen, sind in diesem Cup auch sehr begrenzt. Lediglich den Anstellwinkel des Heckflügels und den Reifendruck können die Fahrer selbst bestimmen, wie uns die beiden erläutern. So wird dafür gesorgt, dass das individuelle fahrerische Können über den Erfolg in den zwei jeweils ca. 30 minütigen Läufen je Rennwochenende entscheidet.
Den hatten die beiden an jenem Wochenende in Nürnberg. Das Rennen am Samstag beendete Joonas auf Rang zwei und Emil auf Platz vier. Am Sonntag lag irgendetwas in der Luft. Das Kreischen der DTM-Boliden mit ihren 4-Liter V8-Motoren war erst eine Stunde verstummt, als die Audi-Jung-Talente am späten Nachmittag die Jagd nach Punkten und Platzierungen aufnahmen. Das dumpfe Brummen der 310 PS starken 2-Liter Vierzylinder mit Turboaufladung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie am Ende der langen Geraden auch ca.250 km/h schnell sind. Hier müssen die Fahrer den idealen Brems- und Einlenkpunkt in die sehr enge 180-Grad-Spitzkehre finden – vor allem wenn sie zu dritt nebeneinander auf die Kurve zurasen.
Joonas und Emil sind von den Startplätzen 3 und 4 ins Rennen gegangen und hefteten sich gleich an die Fersen der beiden Führenden. Einer setzte sein Auto nach einigen Runden an die Begrenzungsmauer, als er zu optimistisch aus der S-Kurve herausbeschleunigte. Und dann war es nur eine Frage der Zeit, bis Joonas sich den vor ihm verbliebenen Dennis Marschall vor unseren Augen in der Spitzkehre zurechtgelegt hatte. Er konnte ihn auf eine ungünstige Linie zwingen und innen hindurchziehen. Emil war nah genug dran, um die Lücke auch für sich zu nutzen, kam dann aber nicht mehr an Joonas vorbei. Dennoch – ein wieder einmal erlebnisreiches Rennwochenende im „frängischen Monaggo“ endete diesmal mit einem finnischen Doppelsieg – vermutlich der erste jemals in Deutschland!
Kurz vor Redaktionsschluss für diese Ausgabe der DFR ging es in die nächste Runde. Diesmal im niederländischen Zandvoort. Auf dem Kurs in den Nordseedünen kamen unsere beiden finnischen Jungrennfahrer in beiden Läufen zwischen den Positionen vier und sieben ins Ziel. Sie belegen nun in der Tabelle die Plätze drei (Joonas) und fünf (Emil). Sechs Rennen auf dem Nürburgring, in Budapest und auf dem Hockenheimring stehen in der Saison 2016 noch
Kurz vor Redaktionsschluss für diese Ausgabe der DFR ging es in die nächste Runde. Diesmal im niederländischen Zandvoort. Auf dem Kurs in den Nordseedünen kamen unsere beiden finnischen Jungrennfahrer in beiden Läufen zwischen den Positionen vier und sieben ins Ziel. Sie belegen nun in der Tabelle die Plätze drei (Joonas) und fünf (Emil). Sechs Rennen auf dem Nürburgring, in Budapest und auf dem Hockenheimring stehen in der Saison 2016 noch aus. Mal sehen, ob sich die beiden gegenüber dem letzten Jahr verbessern können und sich bald für höhere Aufgaben empfehlen können.
Wir werden an dem Thema dranbleiben, denn auch in anderen Rennserien kommen weitere finnische Motorsport-Talente zum Vorschein und gehen ihren Weg.
Mehr Infos rund um den Audi Sport TT Cup unter: www.audi-motorsport.com