Ein Stück Finnland in Mittelhessen
von Gundi Bernhardt
Ende des 19. Jahrhundert heiratete die Finnin Ebba den hessischen Prinzen Albrecht. Beide waren am Zeitgeschehen sehr interessiert und besonders Ebba setzte sich, auch wegen ihrer guten Kontakte in einflussreiche Kreise, sehr für ihr Heimatland ein. Trotz ihres intensiven Wirkens blieb Ebba relativ unbekannt.
Schloss Braunfels ist wegen seines märchenhaften Aussehens weit über seine Grenzen hinaus bekannt. Aber kaum einer weiß, dass im 19. Jahrhundert in diesem Schloss einmal eine waschechte Finnin residierte: Prinzessin Ebba.
Ebba aus Oulu lernt einen Prinzen kennen
Ebba wurde am 19. Februar 1850 in Helsinki als Tochter von Alexander und Rosina Lavonius geboren. Schon kurz darauf zog die Familie ins nordfinnische Oulu, wo Ebbas Vater Gouverneur wurde. Obwohl ihre Familie nicht adelig war, legte man großen Wert auf Bildung. So lebte Ebba als Jugendliche in einem Schweizer Internat und lernte zu ihrer finnischen und schwedischen Sprache auch noch französisch, deutsch und russisch. Im Frühjahr 1889 reiste sie nach Wiesbaden, um Verwandte zu treffen. Leider stand das Haus ihrer Familie wegen einer Krankheit unter Quarantäne und so musste Ebba sich einen anderen Schlafplatz suchen. Sie landete im Kurhotel Quisiana. Dort weilte zur gleichen Zeit Prinz Albrecht zu Solms-Braunfels, der dort seine im Deutsch-Französischen Krieg erlittenen Verletzungen auskurierte. Beide verliebten sich Hals über Kopf ineinander und schon am 6.September des gleichen Jahres folgte die Hochzeit in der Bergkirche in Wiesbaden. Ihre Hochzeitsreise verbrachten sie im sonnigen Italien, wo die Mutter des Prinzen eine Wohnung besaß. Danach zogen sie in eine Fürstenvilla in Wiesbaden. Doch nur 2 Jahre später ereilte sie ein Schicksalsschlag, der ihr Leben grundlegend änderte.
Umzug nach Braunfels
Fürst Georg, der ältere Bruder von Albrecht, starb völlig überraschend und hinterließ als Nachfolger seinen gerade erst geborenen Sohn. Daher musste Albrecht als Treuhänder die
Verwaltung von Schloss Braunfels und seinen Ländereien übernehmen. Ebba und Albrecht zogen in das Schloss. Dies erwies sich als Glücksfall für die Stadt Braunfels, denn Albrecht
war sehr sozial eingestellt. Er baute einen Kindergarten, ein Waisenhaus, ein Spa und ein Altersheim für die Einwohner. Braunfels entwickelte sich durch ihn zur Kurstadt.
Politische Aktivitäten
In diese Zeit fiel die Veröffentlichung des „Februarmanifests“ durch den russischen Zar und Großfürst Finnlands, durch das die Rechte des bis dahin autonomen Finnlands sehr stark eingeschränkt wurden. Eine Protestwelle und große Empörung setzten darauf in Finnland und der ganzen Welt ein. Ebba und ihr Mann Albrecht nahmen die Geschehnisse zum Anlass, sich für Ebbas Heimatland Finnland einzusetzen. Ebba pflegte guten Kontakt zu ihrem Cousin, einem finnischen Staatsdirektor. Dieser versorgte sie aus erster Hand mit aktuellen Informationen zu den Vorgängen und Repressalien Russlands in Ebbas Heimat. Dank ihrer vielen Kontakte zum europäischen Hochadel und führenden Politikern – u.a. gab es auch ein persönliches Gespräch mit dem damaligen Kaiser Wilhelm II – gelang es Ebba und ihrem Mann sehr schnell, Sympathien für Finnland zu wecken. Dies wurde allerdings auch in Russland registriert und man rächte sich an Ebbas Verwandten mit Terror und Vertreibung.
Die spätere Unabhängigkeitserkärung Finnlands von Russland im Jahre 1917 ist sicherlich auch dem großen und unermüdlichen Einsatz Prinzessin Ebbas zu verdanken. Trotz ihres großen Wirkens und Einflusses ist Ebba in ihrem Heimatland weitgehend unbekannt. Dabei wäre eine Prinzessin für Finnland etwas ganz besonderes! Der Historiker Markus Korhonen unterstreicht in seinem 1998 veröffentlichten Artikel im Annual Book of the Historical Association of Northern Finland die Rolle der Ebba als Frau. Seiner Meinung nach war es zu damaligen Zeiten einzigartig, dass Ebba sich als Privatperson dermaßen stark und mit großem Erfolg für die Geschicke und die Geschichte ihres Landes einbrachte. (Quelle: Helsingin Sanomat).
Päivi Honkakoski, Leiterin der Ballettschule Sinikello in Ebbas Heimatstdt Oulu, hat ebenfalls viele Jahre über Prinzessin Ebbas Leben recherchiert und dazu eine Forschungsarbeit veröffentlicht. Diese Arbeit war die Grundlage für das Kinderbuch Prinzessin Ebba, das im Jahr 2015 erschien.
Prinz Albrecht stirbt
Nach dem Tod von Prinz Albrecht am 9. März 1901 lebte Ebba abwechselnd in Deutschland, Schweden und Finnland. Am liebsten war sie allerdings in Italien, wo sie sogar zum Katholizismus konvertierte. Im ersten Weltkrieg, als Deutschland und Italien zu Kriegsfeinden wurden, beschlagnahmte man Ebbas italienisches Anwesen mit dem gesamten Mobiliar. Das war für sie eine große Tragödie. Nach einigen Jahren in Nordeuropa und dem Ende des Krieges kehrte Ebba 1922 aber wieder nach Italien zurück. Hier lebte sie bescheiden in Franscati, einem kleinen Ort in der Nähe von Rom. Sie war gern gesehener Gast bei Festen, insbesondere bei Veranstaltungen der Botschaft des nun selbständigen Finnlands, und ließ auch die Kontakte in ihre Heimat nie abbrechen. Am 30. Juni 1927 starb Prinzessin Ebba im Alter von 77 Jahren in ihrem Zuhause in Franscati, sie wurde aber in der Familiengruft der Solms-Braunfelser in der Kirche des Kloster Altenberg in Solms-Oberbiel neben ihrem Mann Albrecht beigesetzt.
Schloss Braunfels befindet sich im Familienbesitz der Grafen von Oppersdorf zu Solms-Braunfels und wird auch heute noch bewohnt. Besucher können im Rahmen einer Schlossführung auf den Spuren von Prinzessin Ebba wandeln und sich beim Besichtigen der Räume in ihr damaliges Leben zurückversetzen. Im dazugehörigen Café wartet noch eine besondere Überraschung: Dort hängen die Portraits von Prinz Albrecht und seiner Ebba! Und auch in der Schlosskirche gibt es eine Erinnerung an Ebba: Das mittlere Chorfenster wurde von ihr im Jahr 1904 gestiftet.
Informationen und Öffnungszeiten:
Liebe Gundi, wir waren schon oft in Stadt und Burg Braunfels, aber die Ebba Geschichte ist uns entgangen. Vielen Dank für diese interessante Info und Bilder.
Gern geschehen! Anfang September ist eine Schlossbesichtigung mit Besuch im Café geplant. Vielleicht sehen wir euch da!?
Das Haus in Oulu, in dem Ebba ihre Kindheit verbrachte
[Haus Reinilä, Kajaaninkatu 15, Oulu, Finnland].
Falls jemand mal vorbeischauen möchte, das Haus ist in privater Nutzung durch die Firma Tutoris, ein REHA-Anbieter, aber wenn man nett fragt … (Eingang vom Innenhof).
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